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Wissen & Meinung

Auf ein kurzes Gespräch mit…

... mit Prof. Dr. Heiko Krude, Konsortialleiter TRANSLATE-NAMSE Die medizinische Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen verbessern: Mit diesem Ziel hat das Verbundprojekt TRANSLATE-NAMSE in den vergangenen drei Jahren Maßnahmen entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Hier schildern Projektverantwortliche von TRANSLATE-NAMSE ihre Erfahrungen und Erwartungen.

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Prof. Dr. Heiko Krude, Direktor am Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité, Konsortialleiter TRANSLATE-NAMSE

  1. Herr Professor Krude, was war Ihre Rolle im Innovationsfondsprojekt TRANSLATE-NAMSE und wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Partnern erlebt?

Meine Rolle als Konsortialleiter habe ich zum Projektstart von Frau Prof. Grüters-Kieslich übernommen, nachdem der Projektantrag bewilligt worden war. Am Anfang war das durchaus ein Sprung ins kalte Wasser. Ein so komplexes Konsortium mit über hundert Beteiligten über verschiedene Standorte und Disziplinen hinweg zum Laufen zu bringen, das war schon eine wirkliche Herausforderung. Im Nachhinein war es dann vor allem auch eine große Bereicherung: Wie alle diese Menschen über das ganze Land verteilt hochmotiviert und fokussiert über vier Jahre lang zusammengearbeitet haben, war überaus beeindruckend. Man hatte die ganze Zeit über das Gefühl, dass jeder und jedem Einzelnen bewusst war, dass TRANSLATE-NAMSE ein ganz besonderes Projekt ist, denn im Bereich der Seltenen Erkrankungen und explizit in der Versorgungsforschung hat es Vergleichbares in Deutschland noch nicht gegeben. Dieser Spirit, dieses besondere Momentum des Themas war wirklich verbindend.  

  1. Was ist Ihrer Meinung nach das wichtigste Ergebnis des Projekts TRANSLATE-NAMSE?

Zentral für mich ist, dass eine echte Community im Bereich der Seltenen Erkrankungen entstanden ist. Über verschiedene Ebenen, Standorte und Disziplinen hinweg wurde ein Kooperationsnetzwerk gebildet, das es vorher schlichtweg nicht gab und auf das wir jetzt aufbauen können – und müssen. Wichtig sind auch die soliden Daten, die wir unter den mehr als 5000 Betroffenen erhoben haben. Auf dieser Basis kann die Situation der Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland nun erstmals fundiert eingeschätzt werden, was für eine gute Versorgung ganz entscheidend ist. Und nicht zuletzt ist ein wichtiges Ergebnis, dass das Thema Seltene Erkrankungen an sich durch TRANSLATE-NAMSE im Gesundheitssystem sichtbar geworden und ganz konkret auch als wichtiges nationales Thema wahrgenommen worden ist. Die positive Empfehlung durch den G-BA-Innovationsausschuss, wenn auch nicht bindend, ist dabei ein gutes Zeichen. 

  1. Was hat sich konkret für Menschen mit Seltenen Erkrankungen durch das Projekt verbessert? Wo liegen weiterhin zentrale Herausforderungen?

Aus Sicht der Patient:innen ganz konkret: Rund 1600 Menschen haben jetzt eine Diagnose, die sie vorher nicht hatten. Das finde ich phänomenal. Bei vielen Betroffenen und ihren Angehörigen wurde durch unsere Diagnosestellung eine oft jahrelange, sehr belastende Odyssee beendet. Die Herausforderung ist nun, die geschaffenen Strukturen, die innovativen Konzepte, z.B. für die Transition von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin, stabil zu verstetigen und natürlich auch solide zu finanzieren. Und dann muss das Wissen über diese Strukturen schließlich noch besser in der Versorgungslandschaft, also direkt bei den niedergelassenen Ärzt:innen, ankommen.  

  1. Woran werden Sie zukünftig im Bereich Seltener Erkrankungen arbeiten?

Ich forsche gerade mit meinem Team ganz konkret an zwei Seltenen Erkrankungen im Bereich der pädiatrischen Endokrinologie, die wir 2002 und 2004 zum ersten Mal beschrieben haben. Bei der einen handelt es sich um den MC T-8 Defekt. Dessen genauen Krankheitsmechanismus kennen wir auch nach 18 Jahren noch nicht, glauben aber, dass sich eine Therapie potenziell entwickeln lässt. Bei der anderen handelt es sich um den NKX2.1 Gendefekt. Hier beschäftigen wir uns in einem Forschungsverbund an der Charité mit der Genomsequenzierung als nächster Stufe in der Diagnostik. Nach der Versorgungsforschung bei TRANSLATE-NAMSE steht bei mir nun also erst einmal wieder die molekular-klinische Forschung im Mittelpunkt. 

Hintergrund

Menschen mit einer Seltenen Erkrankung haben oft eine Odyssee von Arztbesuchen und eine Zeit großer Unsicherheit hinter sich, bevor sie und ihre Angehörigen die richtige Diagnose erhalten. Und auch wenn eine Diagnose gestellt werden konnte, ist gute Versorgung häufig nicht gesichert. Um dies zu ändern, wurde 2010 das „Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen – NAMSE“ gegründet und ein Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltene Erkrankungen erarbeitet. Die Umsetzung ausgewählter zentraler Maßnahmen aus diesem Aktionsplan war Inhalt von TRANSLATE-NAMSE – einem dreijährigen Verbundprojekt von neun Zentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland und vier humangenetischen Instituten in Kooperation mit zwei Konsortialkrankenkassen sowie der Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V .
Mittlerweile ist TRANSLATE-NAMSE erfolgreich beendet worden. Die Evaluation hat deutliche Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten durch die angewandten neuen Versorgungsformen aufgezeigt. Vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem höchsten Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands, wurde die Überführung der Projektinhalte in die Regelversorgung kürzlich klar befürwortet. Für die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen stellt diese Entscheidung einen Meilenstein dar.  Vor dem Hintergrund schildern Projektverantwortliche von TRANSLATE-NAMSE hier Ihre Erfahrungen und Erwartungen.

Zentrale Projektergebnisse im Überblick

Siehe auch: Ergebnisbericht TRANSLATE-NAMSE

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