25.05.2022
Porträt Prof. Dr. Olaf Rieß
INTERVIEW SERIES: TRANSLATE-NAMSE

A short talk with...

Prof. Dr. Olaf Rieß, Direktor des Tübinger Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik

  1. Herr Professor Rieß, was war Ihre Rolle im Innovationsfondsprojekt TRANSLATE-NAMSE und wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Partnern erlebt?

TRANSLATE-NAMSE war und ist ein lebendiges Netzwerk von klinisch tätigen ÄrztInnen, HumangenetikerInnen, genetisch-diagnostisch tätigen Wissenschaftler:innen und von Bioinformatiker:innen mit dem Ziel der besseren Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer Seltenen Erkrankung und einer ständig verbesserten Diagnosestellung für Patienten mit einer unklaren Ursache. Lebendig heißt, interaktiv auf jedem Level der Beteiligten, nach vorn orientiert mit klaren, aber unbürokratischen Strukturen und modern, indem ständig neue Diagnostikmethoden insbesondere auf dem Gebiet der Humangenetik entwickelt und implementiert werden. Ich hatte und habe die Freude, Teil dieses Netzwerkes zu sein. 

  1. In your opinion, what is the most important result of the TRANSLATE-NAMSE project?

Das wichtigste Ergebnis ist, dass wir mit TRANSLATE-NAMSE zeigen konnten, dass umfassende Genomsequenzierung ("Whole Exom Sequenzierung") in der Krankenversorgung implementiert werden kann und deutliche Vorteile im Sinne einer diagnostischen Sensitivität im Vergleich zur bisherigen selektiven Genpanelsequenzierung hat. Dieses Konzept hat die Krankenkassen so deutlich überzeugt, dass sie nun mit bestimmten Sequenzierzentren, die in die universitären Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSEs)  integriert sind, Selektivverträge  zur Fortführung des TRANSLATE-NAMSE Netzwerkes abschließen. Darüber hinaus ist das Konzept auch ein wesentlicher Grundpfeiler für die Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, im Rahmen von genomDE und des Modellvorhabens §64e für Patienten mit einer unklaren komplexen Erkrankung eine Gesamtgenomsequenzierung zu ermöglichen. Damit wird Deutschland eines der fortschrittlichsten Länder der Welt mit dem Recht der Patienten mit einer Seltenen Erkrankung auf eine umfassende genetische Diagnostik.

  1. What specific improvements have been made for people with rare diseases as a result of the project? Which key challenges remain?

Insbesondere PatientInnen mit einer ultra-seltenen Erkrankung haben nun die konkrete Chance auf eine schnelle Klärung ihrer Erkrankungsursache. Das Wissen um die Ursache der eigenen Erkrankung ermöglicht den PatientInnen, einen Spezialisten/eine Spezialistin für die Erkrankung zu finden, sich selbst gezielt Wissen über die Erkrankung anzueignen, mit anderen Patienten mit der identischen Erkrankung in Kontakt zu treten und ein erkrankungsbezogenes Krankheitsmanagement, in einzelnen Situationen sogar eine gezielte Therapie, zu erhalten. Am Anfang dieses Prozesses steht immer die klare Diagnose. In diesem Bereich hat TRANSLATE-NAMSE einen Meilenstein der Diagnostik gesetzt. 

  1. What will you be working on in the field of rare diseases in the future?

Trotz der über TRANSLATE-NAMSE eingeführten Exomdiagnostik lösen wir heute nur bei ca. 40% aller Patienten mit einer SE die Krankheitsursache. Wir wissen um genetische Ursachen von Erkrankungen außerhalb der proteinkodierenden Bereiche des Erbmaterials (das Exom umfasst nur ca. 1-2% des Erbmaterials), die es aufzufinden gilt. Deshalb haben wir unser der Diagnostik für die meisten SE bereits auf Gesamtgenome umgestellt. Die Interpretation dieser Varianten ist sehr komplex, daher sequenzieren wir zeitgleich die sogenannte RNA aus Blut und führen komplexe kombinierte DNA/RNA Analysen durch. Auch wissen wir, dass die momentan in der Diagnostik zu Anwendung kommende Sequenziertechnologie bestimmte komplexe Strukturen der DNA nicht erfassen kann, so dass wir neuartige Sequenziermethoden (long read NGS) für die Diagnostik vorbereiten. Dies bedeutet auch eine ständige Neuentwicklung von bioinformatischen Methoden. Wir nennen dieses Konzept "Solving the unsolved". Wir koordinieren diesbezüglich ein großes europäisches Netzwerk, welches diese zukünftige "multiOmics-Diagnostikstrategie" vorbereitet. 

Neben der Diagnostikentwicklung und Ursachenforschung arbeiten auch viele Arbeitsgruppen am Institut an der Erforschung der zellulären Abläufe bei seltenen Erkrankungen, an der Entwicklung von Tiermodellen, und an prä-klinischen Therapiestudien. Auch entwickeln wir Biomarker, um klinische Studien der pharmazeutischen Industrie auf dem Gebiet der SE mit voran zu treiben. 

Schließlich möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen auch mit genetisch bedingten Ursachen von Tumorerkrankungen sowie mit genetischen Tumorgewebeanalysen zur zielgerichteten Tumortherapie beschäftigen. 

Background

People with a rare disease often have an odyssey of doctor visits and a period of great uncertainty before they and their loved ones receive the correct diagnosis. And even when a diagnosis has been made, good care is often not assured. To change this, the "National Action Alliance for People with Rare Diseases - NAMSEwas founded and a National Action Plan for People with Rare Diseases was developed. The implementation of selected central measures from this action plan was the content of TRANSLATE-NAMSE a three-year joint project of nine centers for rare diseases in Germany and four human genetics institutes in cooperation with two consortium health insurance companies and the Alliance for Chronic Rare Diseases (ACHSE) e.V .
In the meantime, TRANSLATE-NAMSE has been successfully completed. The evaluation has shown significant improvements for patients through the new forms of care applied. The Innovation Committee of the Federal Joint Committee (G-BA), the highest body of self-administration in the German health care system, has approved the transfer of the project contents into standard care This decision represents a milestone for the care of people with rare diseases.  Against this background, those responsible for the TRANSLATE-NAMSE project describe their experiences and expectations here.

Foto: UK Tübingen
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