Außerklinische Intensivpflege: Umsetzungsprobleme geben Anlass zur Sorge
PCH-Familie e.V und 19 weitere Verbände fordern Nachbesserungen am Intensivpflegegesetz
Am 9. Juni 2023 wurden Dr. Axel Lankenau und Dr. Julia Mattileinen vom Selbsthilfe-Verein PCH-Familie e.V. gemeinsam mit der Tübinger Molekularbiologin Dr. Simone Mayer für einen Therapieansatz für die seltene neurologische Erbkrankheit PCH2a mit dem 15. Eva Luise Köhler Forschungspreis ausgezeichnet.
Im Rahmen der Preisverleihung schilderte Axel Lankenau eindrücklich und berührend das Leben mit seinen beiden von PCH2a betroffenen Söhnen Felix und Jonas. Er beschrieb auch die großen Sorgen, die neue Regelungen im Rahmen des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG) in seiner und vielen anderen pflegenden Familien auslösen. Zahlreiche Rückmeldungen von Betroffenen zeigen, dass Änderungen der Außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie zu Rechtsunklarheit, Leistungsverschiebungen und Versorgungsproblemen führen.
Gemeinsam mit 19 weiteren Verbänden macht sich der Verein PCH-Familie für umgehende Nachbesserungen am Gesetz stark, um die Versorgung von Menschen mit Bedarf an Außerklinischer Intensivpflege sicherzustellen.
Das gemeinsame Positionspapier, in dem auf die besorgniserregende Situation aufmerksam gemacht und die gesetzgeberischen Handlungsbedarfe aufgezeigt werden, findet sich hier:
Krankenhausreform: Seltene Erkrankungen nicht vergessen!
Reform als Grundlage für eine nachhaltige Finanzierung der Zentren für Seltene Erkrankungen nutzen
Am 10. Juli 2023 haben sich Bund und Länder auf Eckpunkte für die anstehende Krankenhausreform geeinigt. Mit großem Interesse verfolgt die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung diesen Prozess in der Hoffnung, dass die geplante Reform mit einer stärkeren Koordinierung und Konzentrierung der spezialisierten Versorgung zu einer Qualitätsverbesserung insbesondere auch für Menschen mit Seltenen Erkrankungen führt.
Eckpunktepapier: Seltene Erkrankungen finden keine Erwähnung
Im Eckpunktepapier vom 10. Juli 2023 finden die Seltenen Erkrankungen jedoch leider keine Erwähnung. Dabei ist die angedachte Reform mit einer koordinierenden Funktion der Universitätsmedizin und der Finanzierung der notwendigen Vorhaltekosten unabhängig von Fallzahlen hochgradig für das Gebiet der Seltenen Erkrankungen geeignet. Die Struktur einer integrierten Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen ist im vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses finanzierten Projekt TRANSLATE NAMSE von 2017 bis 2020 unter Konsortialführung der Charité – Universitätsmedizin Berlin erprobt worden. Sie wurde nach Evaluation vom Innovationsausschuss zur Umsetzung in der Regelversorgung empfohlen.
Umsetzung der TRANSLATE NAMSE-Strukturen muss endlich erfolgen
Allerdings ist bislang noch keine Umsetzung erfolgt, obwohl ein Konsens des GKV-Spitzenverbands und der Universitätsmedizin als Leistungserbringerin besteht, die Zentren für Seltene Erkrankungen sowohl durch Zentrumspauschalen für die Vorhaltekosten von spezialisierten ärztlichen und nicht ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch durch spezielle Hochschulambulanzpauschalen für die notwendige interdisziplinäre und multiprofessionelle Versorgung zu finanzieren. Die Eckpunkte der notwendigen Finanzierung für Fallkonferenzen und Diagnostik wurden im Projekt TRANSLATE NAMSE kalkuliert, und es wurde sogar bereits im Jahr 2020 von Vertretern der Kostenträger formuliert, dass die hier erprobte Versorgung eine „Blaupause“ für das Gesundheitssystem sein könnte.
Grundlage für Finanzierung der Zentren sollte genutzt werden
Die somit lang fällige Finanzierung der Zentren für Seltene Erkrankungen erhält durch die publizierten Eckpunkte der anstehenden Reform in Absatz 2.6 erstmals eine Grundlage:
„Durch die Übernahme von überregionalen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben werden insbesondere Universitätskliniken, aber auch andere geeignete Versorger zusätzliche Aufgaben von besonderer Bedeutung erfüllen. Die Finanzierung dieser koordinierenden und vernetzenden Aufgaben wird nicht aus den ausgegliederten Erlösvolumina der anderen Versorgungskrankenhäuser stammen. Es werden hierfür seitens der GKV zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt“.
Im Absatz 2.2 und 2.6. werden Bereiche genannt, die von der Deckelung durch das bisherige Erlösvolumen ausgenommen werden (Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung, Stroke Unit, Intensivmedizin, Spezielle Traumatologie) und es werden hierfür zusätzliche Mittel der GKV in Aussicht gestellt. Wir bedauern sehr, dass hier die Zentren für Seltene Erkrankungen nicht aufgeführt werden, da sie doch ein Alleinstellungsmerkmal der Universitätsmedizin sind und die Kosten für die integrierte hochspezialisierte Versorgung bislang im Erlösvolumen nicht abgebildet sind.
Menschen mit Seltenen Erkrankungen berücksichtigen
Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen, die Menschen mit Seltenen Erkrankungen bei der Reform nicht erneut zu vergessen und die integrierte Versorgung in den Zentren als Koordinierungs- und Vernetzungsaufgabe der Universitätsmedizin aufzunehmen und die Vergütung in den Vorhaltepauschalen und Hochschulambulanzpauschalen abzubilden.
Aktuelle Ausschreibung: Junior Clinician Scientist for Rare Programm (JCS4Rare)
Alliance4Rare und Berliner Sparkassenstiftung Medizin finanzieren zum 1. Januar 2024 vier Stellen in den Bereichen Pädiatrie und Humangenetik mit je 25% Forschungszeit am Standort Charité Universitätsmedizin
Seltene Erkrankungen betreffen in acht von zehn Fällen Kinder und Jugendliche. Ihre Teilhabe am medizinischen Fortschritt hängt entscheidend von engagierten Ärztinnen und Ärzten ab, die sich dem Spagat zwischen Krankenbett und Labor mit Hingabe stellen. Um forschende Ärztinnen und Ärzte auf die anspruchsvollen Aufgaben im Bereich der Seltenen Erkrankungen vorzubereiten und ihnen die nötigen Freiräume für wissenschaftliches Arbeiten auf hohem Niveau zu verschaffen, setzt das von der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung initiierte Forschungsnetzwerk Alliance4Rare auch auf strukturierte Clinician Scientist Programme (CS4RARE). Die Förderung ermöglicht den Teilnehmenden geschützte Forschungszeiten, in denen sie von klinischen Aufgaben freigestellt wissenschaftliche Projekte zu Seltenen Erkrankungen vorantreiben können.
Junior Clinician Scientists for Rare - junge Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Forschung
In Zusammenarbeit mit der Berliner Sparkassenstiftung Medizin und der BIH Biomedical Innovation Academy schreibt die Alliance4Rare, eine Forschungsinitiative der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung, zum 1. Januar 2024 vier Stellen mit je 25% Forschungszeit für JUNIOR Clinician Scientists for Rare (JCS4Rare) am Standort Charité Universitätsmedizin aus. Die Ausschreibung richtet sich an Bewerberinnen und Bewerber, die ihre ärztliche Weiterbildung in den Fachgebieten Pädiatrie oder Humangenetik vor weniger als drei Jahren begonnen haben. Weitere Einstellungsvoraussetzungen sind eine abgeschlossene Promotion und eine wissenschaftlich fundierte Projektskizze im Bereich Seltene Erkrankungen.
Curricula mit zusätzlichen Weiterbildungsangeboten zu Seltenen Erkrankungen
Die Teilnehmenden werden in das BIH Charité ((Digital) Junior) Clinician Scientist-Programm aufgenommen und erhalten zusätzlich weitere, auf die Bedarfe der Forschung zu Seltenen Erkrankungen abgestimmte Weiterbildungs- und Vernetzungsangebote. Ziel ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Seltenen Erkrankungen früh mit Themen und Methoden vertraut zu machen, deren Relevanz in der Zukunft stärker werden wird und so die Verzahnung mit anderen medizinischen und naturwissenschaftlichen Gebieten langfristig zu fördern.
Ausgehend von den Entwicklungen in der Forschung und im Gesundheitswesen liegen inhaltliche Schwerpunkte der Curricula auf diesen Themen:
CUTTING-EDGE TECHNOLOGIES
Oft verbergen sich hinter Symptomen, die nicht zu einer Diagnose führen, oder hinter Erkrankungen, die einer Diagnose zugeordnet wurden, aber unerwartete Verläufe haben, seltene, bislang nicht beschriebene und erforschte neue Krankheiten. Neue Verfahren der Genomanalyse (Next Generation Sequencing, NGS) tragen erheblich zur Beschleunigung der Identifizierung der Ursache von Erkrankungen bei und ermöglichen damit völlig neue Zugänge zur Identifikation von Mutationen bei genetischen Krankheiten. Ergänzt werden diese durch Verfahren anderer Hochdurchsatzmethoden wie beispielsweise Transcriptom oder die Proteomanalyse. Durch die Analyse von identifizierten Genvarianten in pluripotenten Stammzellen (iPSC) oder durch Einzelzellsequenzierungen lassen sich daran anschließend Krankheitsmechanismen identifizieren. Diese Verfahren sind sehr aufwendig, entwickeln sich schnell und benötigen eine spezialisierte Expertise, deren Grundlage im Rahmen dieses Junior Clinician Scientist Programms gelegt werden soll. Eine Kooperation mit der Biomedical Innovation Academy (BIA) und dem Projekt Case Analysis and Decision Support (CADS) des Berlin Institute of Health (BIH) an der Charité sowie dem Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC schafft hierfür in Berlin exzellente Voraussetzungen.
DIGITAL MEDICINE
Mit rasant zunehmenden Rechenleistungen und Speicherkapazitäten ermöglichen die großen Fortschritte in der Informationstechnologie heute KI-basierte Systeme, die Medizin und Bioinformatik bei der Diagnosestellung unterstützen. Durch den zeitgleichen Zugriff auf eine Vielzahl von Datenbanken können Verdachtsdiagnosen auf Basis der klinischen Symptomatik verifiziert oder überhaupt erst gestellt werden. Der standardisierte Einsatz dieser lernenden Systeme kann dazu beitragen, Diagnosewege signifikant zu verkürzen. Klinisch tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern soll im Rahmen dieses Junior Clinician Scientists Programms die Möglichkeit gegeben werden, die neuen technologischen Herausforderungen, die mit fortgeschrittenen computergestützten wissenschaftlichen Ansätzen verbunden sind, kennenzulernen und sich an deren Entwicklung zu beteiligen. Eine Kooperation mit dem Junior Digital Clinician Scientist Programm der Biomedical Innovation Academy (BIA) des BIH und eine Kooperation mit der TU Berlin ermöglichen dabei Zugang zu den neuesten Technologien.
Zudem umfassen die Curricula die Betreuung der Teilnehmenden durch nationale und internationale Mentorinnen und Mentoren mit einer ausgewiesenen Expertise für Seltene Erkrankungen im Kindesalter sowie die Teilnahme an der jährlich stattfindenden Summerschool der Alliance4Rare und den Rare Disease Symposien der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung in Berlin.
Bewerbung bis 5. September 2023 möglich
Die Bewerbung ist bis zum 5. September 2023 online über das BIH Antrags- und Berichtsportal möglich. Hier finden sich der Zugang sowie weitere Informationen und Unterlagen:
Die „Alliance4Rare“ ist eine zivilgesellschaftlich finanzierte Forschungsinitiative für Kinder und Jugendliche mit Seltenen Erkrankungen, die 2022 von der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung auf den Weg gebracht wurde. Die Alliance4Rare baut eine Brücke zwischen den wachsenden Möglichkeiten der modernen Präzisionsmedizin und den überaus dringenden Bedarfen an Therapieoptionen für Kinder, die aufgrund von bislang nur unzureichend verstandenen Krankheitsmechanismen von einem frühen Tod oder schweren Behinderungen bedroht sind.
Über die Berliner Sparkassenstiftung Medizin
Die Berliner Sparkassenstiftung Medizin engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in Berlin für Forschungserfolge in der Medizin sowie der Gesundheitspflege. Sie fördert die Entwicklung neuer medizinischer Lösungen, die erkrankten Menschen und deren Angehörigen Mut, Hoffnung und Zuversicht geben sollen. Aktueller Förderschwerpunkt sind Seltene Erkrankungen.
TRANSFUSION-Hackathon 2023 zum Thema #SelteneErkrankungen
Wann: 07.07.-09.07.2023
Wo: Capgemini, Bahnhofstr.30, 90402 Nürnberg
Beim TRANSFUSION-Hackathon 2023 steht das Thema Seltene Erkrankungen im Mittelpunkt. Gemeinsam werden Lösungen entwickelt, wie diese in der Öffentlichkeit noch sichtbarer gemacht und damit verbundene Herausforderungen gemeistert werden können.
Die Diagnose von Seltenen Erkrankungen ist eine Herausforderung, die Patientinnen und Patienten, Ärzte und Ärztinnen gleichermaßen vor große Schwierigkeiten stellt. Aufgrund der Seltenheit ist das Wissen zu vielen Erkrankungen gering, sind Informationen nicht verlässlich, Experten rar. Als Folge müssen Betroffene oft eine lange und mühsame Odyssee von Arztbesuchen, Untersuchungen und Tests durchlaufen, bevor eine korrekte Diagnose gestellt wird.
Eine Studie aus dem Jahr 2017, die in der Fachzeitschrift „Orphanet Journal of Rare Diseases“ veröffentlicht wurde, ergab: Durchschnittlich dauert es fast fünf Jahre, bis bei Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen eine korrekte Diagnose gestellt wird. Diese Verzögerung hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Und kann in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich sein.
Aufgabe: Diagnosewege verkürzen
Daher sind innovative Lösungen, um die Zeit bis zur Diagnose zu verkürzen und den Patientinnen und Patienten eine gezieltere und schnellere Behandlung zu ermöglichen, gefragt. Diese sind nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihr Umfeld von großer Bedeutung.
Der Hackathon nähert sich den Herausforderungen im Rahmen von zwei Aufgabenstellungen:
1. Wie komme ich als Patientin/ als Patient zu einer schnelleren Diagnose?
2. Wie kann ich als Arzt/ Ärztin sicherstellen, dass ich auch Seltene Erkrankungen bei der Diagnosestellung in Erwägung ziehe?
Alle Menschen, die Interesse an Seltenen Erkrankungen haben, sind beim TRANSFUSION Hackathon 2023 willkommen. Herzliche Einladung zum Mitdenken und Mitmachen!
TRANSFUSION 2023 wird unterstützt von Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen und ist Teil des Nürnberg Digital Festival. Das Festival der digitalen Gesellschaft für die Metropolregion Nürnberg findet jährlich an elf Tagen in über 100 Locations vor Ort und online statt.
Ausschreibung zum 16. Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen
Rund 5 Millionen Kinder, Jugendliche und Erwachsene leiden allein in Deutschland an einer der bis zu 8.000 heute bekannten Seltenen Erkrankungen. EU-weit sind mehr als 30 Millionen Menschen betroffen, weltweit 300 Millionen. Sie alle haben, trotz ihrer ganz unterschiedlichen Krankheiten, mit sehr ähnlichen Problemen zu kämpfen: Extrem lange Diagnosewege und die unzureichende Versorgung mit Therapien, Medikamenten und Informationen belasten die Betroffenen und ihre Familien oft jahrelang.
Um die medizinische Versorgung dieser „Waisen der Medizin“ zu verbessern, schreibt die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung in Kooperation mit ACHSE e. V. seit 2008 einen Forschungspreis für Seltene Erkrankungen aus, der mittlerweile zu den bedeutendsten Auszeichnungen in diesem Forschungsbereich gehört.
Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro dient als Anschubfinanzierung für innovative Projekte im Bereich der Grundlagen- oder klinischen Forschung zu Seltenen Erkrankungen. Die geförderten Projekte sollen Modellcharakter haben. Besonders preiswürdig sind nachhaltige, krankheitsübergreifende und forschungsvernetzende Projekte. Anträge können mehrfach, auch in zwei aufeinander folgenden Jahren, eingereicht werden. Zulässig sind Anträge von Forschungsgruppen aus dem In- und Ausland, solange sie aus universitären oder außeruniversitären Instituten oder Kliniken mit einer gemeinnützigen Ausrichtung heraus gestellt werden.
Bewerbungsunterlagen können auf Deutsch oder Englisch eingereicht werden.
Bewerbungsschluss für den 16. Forschungspreis, der im Mai 2024 in Berlin verliehen wird, ist am 17. September 2023.
Ansprechpartnerin: Dr. Insa Gülzow, forschungspreis@achse-online.de
"Ein wahrlich starkes Team" - Eva Luise Köhler zeichnet Tübinger Hirnforscherin und Elterninitiative aus
Festakt mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften - Therapieentwicklung für Erbkrankheit PCH2a
Prof. Dr. Horst und Eva Luise Köhler, die Preisträger Dr. Axel Lankenau und Dr. Simone Mayer, Geske Wehr (ACHSE e.V.) und Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, Vorstandsvorsitzende Eva Luise und Horst Köhler Stiftung (von links)
„Hinter jeder Seltenen Erkrankung steht ein Mensch, eine Familie, stehen Sorgen und Hoffnung. Im guten Umgang mit deren Bedürfnissen beweist sich eine gerechte Gesellschaft“, mit diesen Worten drückte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach am Freitagabend im Rahmen der Verleihung des 15. Eva Luise Köhler Forschungspreises für Seltene Erkrankungen am 9. Juni 2023 in Berlin seine Verbundenheit mit den Betroffenen aus. Er versicherte: „Die Bundesregierung wird alles tun, was in unserer Macht steht, um die wichtige Forschung zu Seltenen Erkrankungen zu unterstützen!“
Festakt in der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Gemeinsam mit rund 200 geladenen Gästen war der Bundesminister der Einladung der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung in die Berlin Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gefolgt. Dr. Simone Mayer vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Universität Tübingen erhielt die mit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ACHSE e.V. vergebene Auszeichnung für ihr Forschungsvorhaben zu einer Therapieentwicklung für die neurologische Erbkrankheit Pontocerebelläre Hypoplasie Typ 2 (PCH2). Mit ihr zusammen wurden Dr. Axel Lankenau und Dr. Julia Matilainen vom Selbsthilfeverein PCH-Familie geehrt.
PCH2 ist eine sehr schwere neurologische Entwicklungsstörung bei Kindern. Sie wird durch einen einzigen vertauschten DNA-Baustein verursacht. Die winzige Genveränderung, die nur bei etwa einem von einer Millionen Menschen auftritt, bedingt eine Störung der Entwicklung bestimmter Hirnareale, die zu erheblichen Einschränkungen der psychomotorischen Entwicklung führt. Die meisten betroffenen Kinder sterben, noch bevor sie das Jugendalter erreichen.
Organoid-Forschung weckt Hoffnung für PCH2a und weitere Erkrankungen
Mit dem Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro wird Dr. Simone Mayer aussichtsreiche Wirkstoffkandidaten zur Behandlung von PCH2a, der häufigsten Form von PCH2, überprüfen. Eindrücklich erläuterte die Wissenschaftlerin in einer Lecture, wie sie mit ihrer Forschungsgruppe am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen Hirnorganoide nutzt, die aus gespendeten Hautzellen von PCH2a-betroffenen Kindern erzeugt werden. Diese Gewebestrukturen können außerhalb des menschlichen Körpers dreidimensional wachsen und die zelluläre Architektur sowie bestimmte funktionale Aspekte von Gehirnarealen imitieren. Hirnorganoide gewähren Forschenden somit Einblicke in die frühe Gehirnentwicklung und die Entstehung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Zudem ermöglichen sie die Untersuchung der Effekte von Medikamenten, Giftstoffen, Keimen oder Viren sowie genetischer Variabilität auf menschliche Gehirnzellen und die Gehirnentwicklung.
Medizinischer Fortschritt eröffnet historisches "window of opportunity"
Warum das innovative Forschungsvorhaben überzeugen konnte, erklärte Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung in ihrer Laudatio: „Die Arbeit mit stammzellbasierten Hirnorganoiden zeigt die enormen wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte auf, die Forschenden und uns als Gesellschaft ein historisches „window of opportunity“ eröffnen“, betonte sie und zeigte sich beeindruckt von der engen Zusammenarbeit zwischen der Forscherin und den betroffenen Familien: „Sie sind ein wahrlich starkes Team. Hier sehen wir, was im Bereich der Seltenen Erkrankungen möglich ist, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen und in der Überzeugung handeln: Erfolgreich geforscht werden kann nur MIT den Betroffenen, nicht über sie.“
Diese Überzeugung teilt auch Preisträger Axel Lankenau, der große Hoffnung in die Forschung setzt. „Es waren noch nie so viele hochmotivierte Menschen unter so guten Voraussetzungen in dem Thema engagiert wie genau jetzt!“, betonte er in einem Impulsvortrag, in dem er eindrücklich Einblicke in das Leben mit seinen beiden an PCH2 erkrankten Söhnen Felix und Jonas gab. Lankenau erzählte davon, wie er seinen Söhnen mehr Lebensqualität ermöglicht und Momente des Glücks schafft. Dies sei nur mit Hilfe eines 15-köpfigen Pflegeteams umsetzbar, betonte der Vorsitzende des Selbsthilfe Vereins PCH-Familie. Er appellierte an die politischen Entscheider, diese dringend benötigte Versorgung auch bei der Umsetzung der geplanten Außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie umzusetzen.
Seltene brauchen starke Allianzen - es bleibt viel zu tun
Die Bedeutung von Zusammenarbeit und Allianzen betonte ebenfalls Eva Luise Köhler, auch Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ACHSE e. V., in ihrem Grußwort: „Von Herzen lade ich alle ein, sich unserer Mission anzuschließen – ganz gleich, ob als forschende oder als fördernde Partnerinnen und Wegbereiter. Gemeinsam wollen wir in einem Schulterschluss unser Möglichstes tun, um medizinischen Fortschritt zu ermöglichen. Und zwar gezielt dort, wo er dringend gebraucht wird, aber noch nicht ausreichend gesichert ist.“ Rückblickend auf 17 Jahre Stiftungsarbeit für Menschen mit Seltenen Erkrankungen hielt sie fest: „Es wurde schon viel erreicht, und doch bleibt viel tun und wir müssen uns anstrengen, das Erreichte zukunftsfest zu machen.” Beispielhaft nannte sie eine ausreichende Finanzierung der Zentren für Seltene Erkrankungen, die Fortführung des Nationalen Aktionsbündnisses NAMSE und den Ausbau des von der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung angestoßenen Registers für Seltene Erkrankungen NARSE.
Auch müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, die exzellente Forschung hierzulande insbesondere auch im Bereich der Seltenen Erkrankungen möglich machen. Schließlich zeige sich immer wieder: „Wer die pathologischen Muster hinter einer Seltenen Erkrankung erkennt, kann daraus oftmals Ursachen häufiger Krankheiten ableiten.“
Auch in diesem Jahr gab es Abschluss der Veranstaltung eine freudige Überraschung: Wera Röttgering, die 1. Vorsitzende des Vereins Herzenswünsche aus Münster, überreichte einen symbolischen Spendenscheck über 30.000 Euro zur Unterstützung der von der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung initiierten Forschungsinitiative Alliance4Rare.
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